Höxter (TKu). Am 31. Juli 2022 ist es ganz genau 80 Jahre her, dass der „erfolglose“ 28-jährige Höxteraner U-Boot-Kommandant Amelung von Varendorff bei einem eigens befohlenen Frontalangriff auf einen britischen Geleitzug westlich von Ponta Delgada, nahe der portugiesischen Insel Madeira ums Leben kam. Sein Unterseeboot U 213 sank nach einem Gefecht. Die sterblichen Überreste des Höxteraner U-Boot-Kommandanten wurden am 01. August 1942 entdeckt. Das gepflegte Grab von Amelung von Varendorff befindet sich noch heute auf dem Höxteraner Friedhof Unterm Ziegenberg. Die Geschichte ist spannend, aber lesen Sie selbst:
Das Schicksal des Höxteraners Amelung von Varendorff (eigentlich Hans-Amelung Hermann Otto von Varendorff) ist eng verbunden mit der wohl düstersten Zeit dieses Landes. Auf seine Geschichte während der Kriegszeit sind wir bei den Recherchen zur Brauerei Hermann und Otto Krekeler gestoßen. Der nun folgende kurze Teil Lebensgeschichte handelt vom jungen erfolglosen U-Boot-Kommandanten, der einen Agenten nach Kanada schleuste und beim Seegefecht vor Afrika seinen tragischen Tod fand. Die Mutter von Hans-Amelung, Elisabeth von Varendorff geb. Krekeler (*12.09.1888 und +16.06.1978), war die Tochter von Brauereibesitzer Hermann Martin Krekeler aus Höxter. Der Vater von Amelung von Varendorff war der kaiserliche Korvettenkapitän Hans von Vahrendorff, der aus einem westfälischen Adelsgeschlechts mit langer Tradition entstammt. Die Familie wohnte in der Villa in der Krämerstraße 2 in Höxter nahe der Brauerei von Hermann und Otto Krekeler.
Oberleutnant Hans-Amelung von Varendorff (*20.12.1913) war zunächst Marineoffizier und später U-Boot-Kommandant des U-Bootes 213. Er trat 1935 als Offiziersanwärter in die deutsche Kriegsmarine ein und erhielt eine seemännische Ausbildung auf dem Segelschulschiff Gorch Fock. Im Jahr 1938 wurde Fähnrich von Varendorff zum Leutnant zur See befördert und ließ sich für die neu aufgebaute U-Bootwaffe anwerben. Die weitere Beförderung zum Oberleutnant zur See fiel auf den 29. September 1939. Im selben Jahr trat Amelung von Varendorff als zweiter Wachoffizier seinen Dienst an Bord des U 47 an. Am 13. Oktober 1939 nahm er an dem berühmten Überraschungsangriff auf den britischen Flottenstützpunkt Scapa Flow teil.
Im August 1941 erhielt Amelung von Varendorff das Kommando über das U-Boot 213, das als Minenleger konzipiert war. U 213 wurde jedoch auf keiner seiner vier Unternehmungen während des zweiten Weltkrieges als Minenboot eingesetzt. Ende Januar 1942 lief U 213 von Kiel aus und erreichte Anfang Februar, nach einem kurzen Zwischenhalt auf Helgoland, das vorgesehene Operationsgebiet im Nordatlantik. Das Boot war der U-Bootgruppe Westwall zugeteilt, die in der zweiten Februarwoche einen Geleitzug attackierte, der von U 586 entdeckt worden war. Kommandant von Varendorff erzielte bei diesem Angriff, der durch Dönitz abgebrochen wurde, jedoch keine Erfolge.
Ein Angriff auf den Geleitzug „HX 175“, etwa eine Woche später, blieb ebenfalls erfolglos, da das Boot durch Luftstreitkräfte abgedrängt wurde. Die zweite Unternehmung des Bootes begann am 25. April 1942. U 213 nahm in Lorient einen Agenten an Bord. Kommandant von Varendorff hatte den Auftrag, den Mann nach Kanada zu bringen, wo er Informationen über die alliierten Geleitzüge in Erfahrung bringen sollte. Dieser Plan wurde „Unternehmen Gretl'“ genannt, nach dem Namen der Frau des Agenten namens Martin Langbein. Die Überfahrt verlief ereignislos, bis auf einen kleinen Zwischenfall. Vor der portugiesischen Küste traf U 213 auf einen Geleitzug. Es musste den Angriff aber abbrechen, da das Boot von einem britischen Zerstörer aufgespürt und mit Wasserbomben attackiert worden war. Am 12. Mai erreichte U 213 die nordamerikanische Küste und Agent Langbein wurde zwei Tage später mit einem Schlauchboot in der Nähe von New Brunswick an Land gebracht. Von hier aus schlug er sich bis nach Ottawa durch, wo er sich in der Nähe des Parlamentsgebäudes der kanadischen Hauptstadt einquartierte. Langbein blieb unentdeckt, wahrscheinlich weil er niemals irgendwelche Spionageversuche unternahm, und stellte sich im Winter 1944 den kanadischen Behörden. Mitte Mai war das Unterseeboot U 553 in den Sankt-Lorenz-Strom in Kanada eingedrungen und hatte dort zwei Schiffe versenkt. An diesen erfolgreichen Auftakt sollten drei weitere, in nordamerikanischen Gewässern eingesetzte Boote, darunter auch U 213, anknüpfen. Während die Angriffe der anderen U-Boote erfolgreich verliefen und bis Ende Mai insgesamt acht Schiffe vor der kanadischen Ostküste versenkt werden konnten, sichtete U 213 keine feindlichen Schiffe. Ein am 26. Mai entdeckter Frachter konnte trotz mehrstündiger Verfolgungsjagd nicht versenkt werden.
Am 21. Mai stellte Dönitz die U-Bootgruppe „Pfadfinder“ zusammen, zu der außer U 213 noch sieben weitere U-Boote gehörten, die sich zu diesem Zeitpunkt an der nordamerikanischen Küste befanden. Diese U-Bootgruppe bestand bis Ende Mai, brachte aber keine Erkenntnisse, denn die alliierten Geleitzüge an der nordamerikanischem Ostküste blieben unauffindbar. Am 21. Juni lief U 213 wieder im Stützpunkt in Brest ein. Da die 60-tägige Unternehmung – außer der Landung des Agenten – keinerlei Erfolge erbracht hatte, erhielt Kommandant von Varendorff einen scharfen Verweis. Am 23. Juli 1942 lief Kommandant von Varendorff mit U 213 zu seiner letzten Unternehmung aus. Das Boot sollte, gemeinsam mit sechs weiteren Booten, vor der westafrikanischen Küste operieren und dabei von U-Boottankern, sogenannten „Milchkühen“ versorgt werden.
Am 31. Juli 1942 entdeckte Kommandant von Varendorff westlich von Ponta Delgada den Geleitzug OS 35 (mehrere britische Fregatten) und entschloss sich zum frontalen Angriff. U 213 wurde von drei britischen „Sloops“ (kleines Kriegsschiff für den Geleitschutz anderer Schiffe) mit einem Funkpeilgerät aufgespürt und anschließend versenkt. Anhand auftreibender Trümmer und der sterblichen Überreste konnte der erst 28-jährige U-Boot-Kommandant aus Höxter identifiziert werden. Auf dem Höxteraner Friedhof liegt er heute gemeinsam mit seinen Eltern begraben (Foto). Auf einer Gedenktafel in der Höxteraner Kilianikirche taucht sein Name unter allen (evangelisch getauften) Gefallenen auf. Die Infos dieser Geschichte stammen aus dem Buch „Der U-Boot-Krieg 1939-1945“ von Rainer Busch und Hans-Joachim Röll sowie aus Recherchen durch Aussagen von Anwohnern und aus Höxteraner Akteneinträgen.
Foto/Repros: Thomas Kube