Holzminden (red). „Wir sind nicht der einzige Landkreis, der dringend auf die Erstattung der Kosten zur Beherbergung der Flüchtlinge wartet“, weiß Landrat Michael Schünemann aus den Gesprächen mit seinen Landratskollegen zu berichten. „Die Verhandlungen des NLT (Niedersächsischer-Landkreis-Tag) mit dem Land sind erst vor wenigen Tagen abgeschlossen worden.“ Der Bund hatte zugesagt, die Länder und Kommunen im Jahr 2023 pauschal mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro bei ihren Mehraufwendungen zu unterstützen. Auf Niedersachsen entfällt dabei ein Anteil von 143 Millionen Euro, von denen die Kommunen 78 Prozent erhalten, also 112 Millionen Euro. „In welcher Höhe der Landkreis Holzminden mit Erstattungen rechnen kann, wird derzeit in der Verwaltung ermittelt. Leider zeichnet sich schon ab, dass nicht alle Kosten übernommen werden. Das ist in der jetzigen angespannten Haushaltslage wirklich kritisch“, mahnt der Landrat.
„Aktuell werden 1445 ukrainische Flüchtlinge und 396 Weltflüchtlinge durch den Landkreis betreut. Die Rückerstattung durch das Land läuft bisher mehr als schleppend. Das ist eine große Belastung für uns, doch mit der jetzigen Einigung hoffe ich, dass Tempo hereinkommt.“
Denn die vielfach sehr gut ausgebildeten Flüchtlinge aus der Ukraine seien angesichts des großen Arbeitskräftemangels am Arbeitsmarkt sehr willkommen. Deshalb werde der Landkreis selbst aktiv, um die Flüchtlinge, die sich entschlossen haben, in Deutschland zu bleiben, zu unterstützen. „Unsere Jobbörse für ukrainische Flüchtlinge letzte Woche war ein voller Erfolg. Hier konnten viele Jobs direkt vermittelt werden. So kann es gelingen, den akuten Arbeitskräftemangel im Landkreis etwas abzufedern. Alles in allem dauert die Berufsanerkennung jedoch zu lange.“
Meilenstein für geregelte Migration
Jan-Christoph Oetjen, Mitglied im Europaparlament und im dortigen Innenausschuss, kann Landrat Schünemann dahingehend Hoffnung machen, dass die Aufteilung der Flüchtlinge künftig besser geregelt sein wird. „Deutschland ist bekannt für seine gute Organisation durch eine zentrale Aufnahmestelle und die dann folgende Unterbringung in den Landkreisen. Das ist leider nicht in allen europäischen Ländern der Fall. Eine gemeinsame europäische Migrationspolitik bleibt eines der wichtigsten Projekte der EU. Letzte Woche haben wir im Innenausschuss des Europäischen Parlaments über einen Teil davon abgestimmt: Die sogenannte Single-Permit-Directive. Dabei handelt es sich um eine Richtlinie, die ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige ermöglicht, sich in einem Mitgliedstaat der EU aufzuhalten und zu arbeiten. Als Berichterstatter meiner Fraktion Renew Europe konnte ich direkt an der Richtlinie mitarbeiten. Mit 47 zu 13 Stimmen wurde sie am Donnerstag schließlich angenommen. Ich freue mich sehr, denn die Richtlinie vereinfacht Regeln für Zuwanderer deutlich. Ein Meilenstein auf dem Weg für mehr geregelte Migration und die Umsetzung des europäischen Asyl- und Migrationspakts.“
Hermann Grupe, Kreisvorsitzender der FDP-Holzminden, ist sich sicher, dass mit der Richtlinie mehr legale Wege für Fachkräfte in den europäischen Arbeitsmarkt geschaffen werden. „Das ist wichtiger denn je, denn unsere kommenden demografischen Herausforderungen mit einer immer älter werdenden Gesellschaft und dem daraus resultierenden Fachkräftemangel wird ohne eine geregelte Migration in den Arbeitsmarkt kaum zu stemmen sein. Außerdem wirken wir so kriminellen Schleuserorganisationen entgegen, die schamlos die Notsituation vieler Menschen ausnutzen.“
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