Nach Hilferufen von Landwirten, die bereits unmittelbar nach Eintreten der Katastrophe im Ahrtal mit Maschinen angereist sind, habe ich mich am letzten Freitag spontan mit anderen aus der Landwirtschaft auf den Weg gemacht, um dort mit anzufassen. Zu diesem Zeitpunkt war die Katastrophe dort keine 48 Stunden alt. Die Szenen, die ich am Wochenende erlebt habe, werden mir wahrscheinlich nie wieder aus dem Kopf gehen. Das Maß der Zerstörung in den Hochwassergebieten ist einfach unvorstellbar und ich möchte mir gar nicht vorstellen, was die Einwohner dort in dieser Nacht von Mittwoch auf Donnerstag erlebt haben müssen. 

Bilder und Videos können nicht ansatzweise das darstellen, was man vor Ort gesehen hat. Das Wasser stand in Dernau, meinem Einsatzort im Ahrtal, teilweise 2m hoch im 1. Stock! Die Strömung hat auch hier Brücken und Häuser zerstört und alles mitgerissen, was sich ihr in den Weg gestellt hat. Mit unserer Truppe sind wir von Haus zu Haus gegangen, haben Wege freigemacht, Schlamm geschaufelt, Häuser ausgeräumt, quasi ganze Vergangenheiten auf den Müll geschmissen - aber auch viel Mut gemacht. Hunderte aus der Landwirtschaft haben wir dort getroffen, die sogar mit Treckern, Radladern und Anhängern dorthin gefahren sind. Dass diese Community so gut zusammenhält und so gut vernetzt ist, liegt an der Organisation der Treckerdemonstrationen der letzten Jahre. Zehntausende können hier innerhalb kürzester Zeit erreicht werden. 

Die Stimmung der Einwohner vor Ort war trotz der Situation überraschend gut. Viele stehen dort aber auch einfach noch unter Schock. Die Welle der Hilfsbereitschaft hat alle vor Ort unheimlich mitgerissen. Es war ein riesiges Miteinander. Viele Anwohner hatten Tränen in den Augen oder waren einfach überwältigt, dass in so einer Krise einfach alle zusammenstehen und sogar Menschen aus dem fernen Niedersachsen mit anpacken. Man war umgeben von Leuten, die einfach ganz selbstlos dort hingekommen sind, um die Leute nicht in diesem Trümmerfeld alleine stehen zu lassen. 

Jedes Zahnrad hat dort in das andere gegriffen, und alle haben an einem Strang gezogen, ohne auch nur einen Moment lang an sich selbst zu denken. Alles ist in diesen Tagen zu einem großen Ganzen zusammengewachsen, und das ist ein überwältigendes Gefühl gewesen. Die Menschen vor Ort haben wahrgenommen, wie sehr sie sich in dieser Situation unmittelbar und besonders auf den Mittelstand verlassen konnten. Sicherlich waren hier auch viele andere Helfer, aber die direkte Hilfe mit den notwendigen großen Maschinen zur Beseitigung des teilweise Meter hoch verteilten Gerölls aus den Straßen haben in vielen Orten die Landwirte geleistet. Besonders Landwirte, Lohnunternehmer, Bauunternehmer, Forstwirte, GaLaBau, aber auch viele weitere Unternehmer haben in dieser Situation nicht an sich selbst gedacht, haben auf Einkommen verzichtet, waren solidarisch und standen ohne zu fragen zur Stelle. Gerade in den landwirtschaftlichen Betrieben ist die finanzielle Not real, außerdem ist Erntezeit und trotzdem haben sich mittlerweile Tausende aus diesem Berufszweig auf den Weg gemacht. 

Viel zu oft wird der Mittelstand in diesem Land politisch in die Mangel genommen oder Unternehmer als geldgierig dargestellt… Es hat sich gezeigt - auf diese Leute ist Verlass, auch in größter Not. Es muss endlich wieder Politik gemacht werden, die diesen Leuten den Rücken stärkt! Die Hilflosigkeit des Staates, der in seinen eigenen Fesseln gefangen ist und teilweise wirklich hilflos und überfordert wirkte, habe ich vor Ort hautnah erlebt. Hier gibt es nichts zu beschwichtigen und viel Aufarbeitung wird hier notwendig sein, um sich in Zukunft besser auf Katastrophen vorzubereiten. Danke an alle Helfer, natürlich auch von Feuerwehr, THW, Bundeswehr und DRK. Das ist nicht selbstverständlich! 

Also: Wenn Sie das nächste Mal ein Güllefass sehen, dann denken Sie daran, dass es vielleicht auch mal Ihren Keller leer pumpen könnte! 

Julius Sander, Golmbach 

Student der Agrarwissenschaften, 
zweiter stellvertretender FDP-Kreisvorsitzender Holzminden

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