Landkreis Holzminden (lbr). „Lasst die Kinder nicht umsonst hoffen, lasst die OBS Delligsen offen“ - rund 40 Eltern, Schüler, Ratsmitglieder und Anwohner aus Delligsen machten ihrem Unmut Luft und kämpften erneut für ihre Oberschule. Der Neubau der OBS Delligsen stand an diesem Dienstagnachmittag auf der Tagesordnung des Schulausschusses in der Aula des Campe-Gymnasiums und erneut zur Diskussion. Im Laufe des Abends wurde zunächst empfohlen, die Modulbauweise in Holz zu prüfen, doch einen Tag nach der Sitzung stellte sich heraus, dass die Verwaltung im Abstimmungsprozess einen Fehler machte.
Die Verwaltung informiert über gestiegene Baukosten
Nach Abstimmung des Raumprogramms mit dem Flecken Delligsen ist durch den Projektsteuerer eine Aktualisierung des Kosten- und Terminrahmens erfolgt. Im Jahr 2019 wurde mit Kosten in Höhe von rund 13 Millionen Euro gerechnet, aufgrund der aktuellen Entwicklung auf dem Baumarkt wird zurzeit mit 21,5 Millionen Euro kalkuliert und mit 25 Millionen Euro, wenn man auf eine moderne Heiztechnologie setzten möchte. Von diesem Betrag würde der Landkreis 19 Millionen Euro und der Flecken Delligsen müsse sechs Millionen Euro tragen. „Da wir den Neubau über Kredite finanzieren müssten, würden wir bei der aktuellen Zinslage vermutlich sogar bei rund 33 Millionen Euro landen“, erklärt Kreisbaurat Ralf Buberti. Diese drastische Steigerung der Kosten veranlasste die Verwaltung, die Vorlage in den Schulausschuss einzubringen und schlug unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsberechnung fünf mögliche Varianten vor: Eine Sanierung der vorhandenen Schule, einen Neubau der Oberschule, einen Neubau der Oberschule zusammen mit der Grundschule, die Sanierung und einen Anbau am zweiten Schulstandort in Duingen und der Neubau einer OBS oder IGS im Nordkreis für die Schüler:innen aus Bodenwerder, Eschershausen, Stadtoldendorf und Delligsen. Die beiden letzten Möglichkeiten wurden von der Verwaltung favorisiert.
Einwohnerfragestunde verwandelt sich in eine emotionale und hitzige Debatte
Diese Vorlage verursachte eine hitzige und vor allem emotionale Diskussion sowohl zwischen den Besuchern des Ausschusses, als auch der Verwaltung und den Ausschussmitgliedern. Die Einwohnerfragestunde nutzte zuerst Stephan Willudda, Bürgermeister des Flecken Delligsen für einige Fragen. Er kritisierte zunächst das Handeln und die Kommunikation mit dem Landkreis. „Der Flecken Delligsen hat eine Resolution formuliert, die ich Ihnen hier gerne überreichen möchte“, so Willudda. Die Resolution umfasst verschiedene Punkte und fordert ganz klar die Umsetzung des Kreistagsbeschlusses zur Schulentwicklung, in dem Delligsen einen Neubau erhalten soll. Eine besonders emotionale Debatte führten Delligsens Schulleiter Dr. Thorsten Steuer und andere OBS Retter. „Warum wird hier künstlich eine Schule kaputt gemacht?“, fragt Steuer. Darauf antwortete Landrat Michael Schünemann: „Es hat nichts damit zu tun, dass wir Delligsen nicht bauen wollen. Das ist absolut nicht so, doch als Landrat muss ich mich um den ganzen Landkreis kümmern und wir müssen beispielsweise auch noch eine neue Förderschule bauen. Hier geht es auch um Gleichberechtigung. Schon alleine das NKomVG zwingt mich dazu, diesen Weg zu gehen.“ Doch letztendlich entscheide die Politik und die Verwaltung arbeite die Aufgaben ab. „Ich möchte hier nicht stehen lassen, dass wir gegen die Schulen arbeiten“, ergänzte Buberti.
Anschließend nutzte Frauke de Vries, Schulleiterin der Förderschule für geistige Entwicklung, die Einwohnerfragestunde. „Hat die Förderschule für Sie noch Priorität? Wie lange sollen wir noch warten?“, trat sie für ihre Schule ein, richtete ihre Frage direkt an die Politik. Diese versicherte, dass die Förderschule weiterhin Priorität, neben Delligsen, habe. Der Kreisbaurat erklärte, dass die Machbarkeitsstudie zur Förderschule im Juni fertig sein solle und dann könne man in die konkreten Planungen gehen. Nach rund anderthalb Stunden wurde die Einwohnerfragestunde beendet. Unter dem Tagesordnungspunkt 7 wurden zunächst die Vorlage der Verwaltung und anschließend die Ergänzungsanträge von der SPD/Grüne/FDP-Gruppe und der CDU/UWG-Gruppe vorgestellt. Die Verwaltung stellte zunächst die Grundlage der Kostenberechnung des Projektsteuerers vor. Anschließend ergriff Buberti das Wort: „Die Frage ist doch, wie viel können wir uns leisten? Wir müssten die Baukosten von 25 Millionen Euro über Kredite finanzieren und das bedeutet, dass wir am Ende für sechs Schulklassen bei 33 bis 34 Millionen Euro liegen.“ Daher müsse man die Möglichkeiten einer starken Schule im Nordkreis oder die Möglichkeit eines Anbaus und einer Sanierung in Duingen in Betracht ziehen.
Ampel-Koalition fordert die Umsetzung der Schulbeschlüsse
Bjarne Allruth (SPD) stellte den Ergänzungsantrag mit dem Titel „Schulbeschlüsse endlich umsetzen“ der Ampel-Koalition vor. Die Verwaltung soll alle beschlossenen Schulbaumaßnahmen weiterführen, so auch ein Neubau für Delligsen und den Bau der Förderschule, doch man solle sich an den ursprünglichen Kostenrahmen, unter Berücksichtigung der Baukostensteigerung, halten. Zudem soll geprüft werden, ob Kosteneinsparungen durch die Modulbauweise erzielt werden können. Dies soll nach und nach auch bei den anderen Standorten wie Eschershausen und Bodenwerder überprüft werden. „Der Schulverbund hat sich bewährt und wir wollen daran festhalten“, positioniert sich Allruth klar. „Wir müssen mit dem Bau der Schule schnellstmöglich beginnen“, betonte Wilhelm Brennecke (SPD) immer wieder.
CDU/UWG-Gruppe sieht die Modulbauweise aus Holz als mögliche Lösung
Der weitestgehende Antrag kam von der CDU/UWG-Gruppe. „Wir brauchen ein Gesamtkonzept, das wurde uns vom Projektsteuerer Dr. Lüttke erst im Kreisausschuss gesagt. Eine einzelne Betrachtung wird keine Kosten einsparen“, appellierte Sabine Echzell (CDU). Die CDU/UWG-Gruppe beauftragt, die Kreisverwaltung in ihrem Ergänzungsantrag ein Gesamtkonzept für alle notwendigen Schulbaumaßnahmen in Modulbauweise (Holz) für eine vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnung zu erstellen. Grundlage dafür sollen die vorliegenden Raumkonzepte für die Förderschule, die OBS Delligsen und die OBS Bodenwerder und eine drei- oder vierzügige Oberschule an den Standorten Eschershausen oder Stadtoldendorf sein. Diese Wirtschaftlichkeitsberechnung soll bis zum 17. April vorliegen. „Natürlich geht es uns ums Geld, aber wir wollen auch, dass es den Schulen gut geht“, schlussfolgert Echzell. Beide Ergänzungsanträge warfen bei der Verwaltung noch Fragen auf. „Was meinen Sie denn genau mit allen notwendigen Schulbaumaßnahmen?“, fragte Buberti in Richtung der CDU und in Richtung der SPD: „Von welchem ursprünglichen Kostenrahmen gehen Sie in Delligsen nun aus? Von 13 Millionen oder den 25 Millionen Euro? Die 13 Millionen sind nicht mehr realistisch. Das ist ein Auftrag, den wir so nicht erfüllen können.“ Landrat Michael Schünemann knüpfte direkt daran: „Der Landrat ist sprachlos. Sie müssen klar formulieren, was Sie wollen. Die Entscheidung liegt letztlich nicht beim Landkreis, sondern beim Kreistag.“ Eileen Stiehler (UWG) verdeutlichte nochmal, wie schlecht es um die Schulqualität derzeit steht. „Der Landkreis Holzminden trägt die rote Laterne im Bereich Bildung in Niedersachsen. Wir brauchen jetzt starke Schulen“, so Stiehler.
Pattsituation bei der Abstimmung sorgt für Verwirrung
Als weitestgehender Antrag wurde der Ergänzungsantrag der CDU/UWG-Gruppe als erstes abgestimmt und bei fünf Ja-Stimmen, zu fünf Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen angenommen. „Damit ist der Antrag durch“, sagte Kreisbaurat Ralf Buberti.
Doch einen Tag nach dem Ausschuss muss sich die Verwaltung einen Fehler eingestehen: „Bei einer Pattsituation wird ein Antrag abgelehnt“, versicherte Landtagsabgeordnete Sabine Tippelt (SPD) im Gespräch mit unserer Redaktion. Auf Rückfrage bestätige das auch der Landkreis Holzminden. „Die Sitzung des Schulausschusses wird am 13. April nur mit diesem Tagesordnungspunkt wiederholt“, erklärte Pressesprecher Peter Drews. Er sprach weiter von einem Blackout der Verwaltung in diesem Moment. „Es geht um Transparenz und einen demokratischen Prozess, deshalb wiederholen wir die Sitzung. Dem Landrat ist es wichtig zu betonen, dass dies nicht passiert ist, um eine Entscheidung zu beeinflussen“, ergänzt Drews.