Heinsen (red). Eigentlich wusste Sebastian Budde schon lange, dass seine Destillate der Weserbergland Spirituosen Manufaktur aus dem Herzen des Weserberglandes recht gut sind, da er sich mit seinem Team kompromisslos allerbester Qualität verschrieben hat. Als Quereinsteiger hat der 42-jährige Kaufmann 2011, zusammen mit seinem Vater Wilfried, die Manufaktur gegründet und seit Beginn auf allerbeste Früchte, Kräuter und Gewürze gesetzt, ohne Farbstoffe und Aromen zu verwenden, wie es fast alle der Mitbewerber machen
Destillate kommen erst auf die Flasche, wenn die mehrjährige Reifezeit um ist und sie mehrfach verkostet worden sind. Das führte in den letzten 12 Jahren zu stetigen Versorgungsengpässen und Vater und Sohn waren sich sicher, dass Prämierungen unsinnig sind, wenn man eh schon nicht flüssig liefern kann. Jahrelangen guten Kunden, auch Gastronomiepartnern, konnte man nicht die Jahresmenge von wenigen tausend Flaschen vorenthalten, indem man kleine „Hypes“ generiert, um dann monatelang nicht lieferfähig zu sein. Seit Corona und der Inflation ist vieles anders geworden. Sehr viele Menschen müssen sparen oder sparen aus Unsicherheit. Die kleinen Mittelständler bangen um ihre Existenz und auch die Buddes und ihr Team haben unter dem eisernen Sparkurs zu leiden, da besonders auf hochwertige und damit notwendigerweise hochpreisigere Konsumgüter gerne zuerst verzichtet wird.
„Da wollen wir doch auch einmal unseren Hut mit in den Ring werden“, sagten sich die Autodidakten mit Hang zur Perfektion und beschlossen, die renommierteste Spirituosenbewertung der Welt anzusteuern, die IWSC in London. Blutorange vom Ätna holte die höchst mögliche Punktzahl und damit „Großes Gold“. Gleiches schafften aus ganz Deutschland nur zwei weitere Brennereien, je einmal mit einem Himbeergeist und einem Mirabellenbrand.
Bei ca. 2.500 deutschen Brennereien und teilweise jahrhundealter Tradition ist das Ergebnis durchaus respektabel, da viele Tausend Proben blind verkostet wurden. Einen super guten Himbeergeist und Mirabellenbrand haben Buddes auch, aber nicht eingereicht. Eine frische Blutorange trifft den Geschmack der Zeit und daher hatten sie sich dafür entschieden.
Es folgte eine Einladung nach London im November, um sich aufs Treppchen zu stellen – die Brenner freut’s.
Über 60 sortenreine Destillate produziert die kleine Manufaktur und das in teilweise extrem kleinen Liebhaberchargen von nur wenigen Flaschen. Dabei bezieht die Manufaktur den größten Teil der Rohstoffe, mit Ausnahme der Exoten, aus Privatgärten des Weserberglandes, aus den niedersächsischen Landesforsten und von regionalen Anbauern. Seit den Startjahren sind sie von Slowfood e.V. zertifiziert und u.a. Gründungsmitglied im Erzeugerverband Südniedersachsen.
Als einzige Brennerei der Region darf z.B. für wirklich regionalen Gin heimischer streng geschützter Wacholder beerntet werden in einer Kooperation mit der TH OWL und Naturschutzverbänden. Weitere regionale Produkte mit Brauereien und anderen Manufakturen runden das Portfolio ab. Die Buddes sind sehr umtriebig. Zuletzt hat Sebastian die heimische Kreike, eine Urzwetschge, vor der Ausrottung bewahrt, aber das ist eine andere Geschichte. Die Früchte für die Blutorange kommen direkt von einem Bio-Betrieb von den Hängen des Ätnas. Sie bekommen die zuletzt geernteten Früchte innerhalb von 48 Stunden, dann gehen sie direkt in die Maische und werden wenige Tage später gebrannt. Die Verkostungsnotiz der IWSC malt ein schönes Bild:
Vibrant blood orange and pink grapefruit notes leap from the glass, leading to a delightful palate centred around more juicy blood orange flavours, complemented by zesty grapefruit. The invigorating finish is wonderfully fresh and long-lasting.
Kräftige Noten von Blutorangen und rosa Grapefruit springen aus dem Glas und führen zu einem köstlichen Gaumen, in dessen Mittelpunkt saftige Blutorangenaromen stehen, die durch pikante Grapefruit ergänzt werden. Der belebende Abgang ist herrlich frisch und lang anhaltend.
Im Werksverkauf in Heinsen an der Weser freut sich die kleine Manufaktur über liebe Kunden, natürlich gibt es auch einen Onlineshop und über 30 regionale Handelspartner.
Auch unsere anderen Sorten stehen nicht weit dahinter, betonen die Destillateure. Es macht nur keinen Sinn, eine absolute Rarität bewerten zu lassen, von der es nur 15 Flaschen gibt. Das größte Problem ist für sie derzeit die Trittbrettfahrerei der Großproduzenten. Diese versuchen mit geschickter Flaschenausstattung auch auf Manufaktur „zu machen“, ohne es zu sein und ebenfalls ungerechtfertigt höhere Preise zu nehmen.
„Gerne wird hier mit ‚alten Sorten‘ geworben oder aufgedruckter Unterschrift des Brenners“, Sebastian Budde signiert selbst, fünf Mitarbeiter kleben Etiketten, brennen mit glühenden Stempeln Holzgriffkorken und stellen echte Siegel her, bereiten Früchte vor und helfen in der Brennerei oder beim Versand. „Nur das Destillieren gebe ich nicht aus der Hand“, sagt Sebastian Budde, hierin liegt die Kunst und das feine Händchen. „Meine Art zu Malen“, betont er gerne. Kunst, die man schmecken kann…
Foto: Weserbergland Spirituosen GmbH