Sehr geehrte Damen und Herren,
Mein Name ist Jonas Lindenau. Meine Frau und ich arbeiten beide im MVZ Radiologie im Krankenhaus in Holzminden. Soll es nach der Politik gehen, wird es uns, also das Krankenhaus und das MVZ ab November dieses Jahres nicht mehr im vollen Umfang geben. Sollten Stadt und Landkreis Holzminden kein Geld in Form von dem Erwerb der Liegenschaft bereitstellen oder sich auch sonst kein Geldgeber findet, wird, das Haus zum Dezember hin wohl für immer geschlossen. Was dann mit den KV-Sitzen passiert, kann man nicht sicher sagen. Und auch wenn die Gelder zur Verfügung stehen, wird aus dem Krankenhaus mit 24/7 Notaufnahme, 24/7 Chest-Pain-Unit, sowie einer kleinen 24/7 Stroke-Unit, sowie einer vollausgestatteten Gastroenterologie und nicht zu vergessen der Geburtshilfe ein Level 1i Krankenhaus. Also wird es keine Notfallversorgung mehr in diesem Umfang und schon gar nicht 24/7 stattfinden.
Auf dem Papier mag das alles möglich und stimmig sein. Denn Bad Pyrmont, Hameln, Höxter, Einbeck liegen rechtlich in erreichbarer Nähe. Was aber in keiner Planung auftaucht, ist die Tatsache, dass auch diese Kliniken personell und technisch an ihrer Grenzen und darüber hinaus gekommen sind und noch weiter kommen werden. Es ist jetzt schon nicht selten, dass Patienten aus diesen Kreisen zu uns kommen, da die Häuser dort abgemeldet sind, weil sie einfach über ihrer Kapazitäten gekommen sind. Wobei auch wir nahezu täglich an der Überlastungsgrenze arbeiten. Was sollen diese Häuser jetzt machen, wenn ab Dezember zusätzlich noch regelmäßig der Rettungsdienst aus Holzminden diese anfährt. Plus die „Laufkundschaft“ (Im Übrigen herrscht auch beim Rettungsdienst Holzminden massiver Personalmangel.) Und wenn die Rettungswagen noch länger unterwegs sind, weil sie nicht, das noch nahe Krankenhaus mehr anfahren können, sondern mindestens 10 km weiter fahren müssen, wird die - zeitliche - Versorgung ebenfalls schlechter. Ich kenne keine offiziellen Zahlen, aber ich lehne mich nicht aus dem Fenster, wenn ich sage, dass das Holzmindener Krankenhaus mit durchschnittlich mind. 15 RTWs pro Tag anfahren wird, eher mehr. Wir reden hier auch nicht von einer Region mit gut ausgebauter Infrastruktur. Alleine der Weg nach Bad Pyrmont geht über Landstraßen, die gerade im Winter dunkel und z.T. in schlechten Zustand sind. Der Weg führt also nicht wie zum Beispiel von Hildesheim nach Hannover über eine gut ausgebauten A7 und A2 und/oder A37/B6, die auch redundant sind. Wenn hier eine Straße gesperrt ist, muss ein z.T. kilometerlanger Umweg gefahren werden. Ich werde nicht sagen, dass Menschen sterben werden, wie es in einigen sozialen Netzwerken befürchtet wird. Aber es wird sicherlich zu grenzwertigen Situationen kommen, beispielsweise wenn ein CT abgemeldet ist, oder ein Herzkatheter belegt ist. Bislang gibt es immer noch ein Krankenhaus mehr in der Region, dass so etwas abfangen kann. Ich kann nachvollziehen, dass eine Notaufnahme und das Vorhalten z.B. eines 24/7 Herzkatheters mit der aktuellen Gesundheitspolitik wirtschaftlich nicht tragbar ist. Aber kann es der Politik, angefangen beim Landrat, Bürgermeister über Gesundheits- und Sozialminister bis hin zu Herrn Weil, Scholz und Lauterbach egal sein, was passieren wird?
Der Landkreis ist verpflichtet, die Notfallversorgung sicherzustellen. Er ist zwar nicht verpflichtet dazu ein Krankenhaus samt Notaufnahme vorzuhalten, jedoch verstehe ich es so, als dass der Landkreis Verträge mit anderen Krankenhäusern schließen müsse, um eben dieser Pflicht nachzukommen. Auch diese Verträge werden doch sicherlich Geld kosten. Wieso kann dieses Geld dann nicht in eine defizitäre Notaufnahme investiert werden, sodass wenigstens diese erhalten bleibt? Auch vielleicht mit Hilfe der Bundes- und Landespolitik.
Dass das Haus in der aktuellen Situation nicht wirtschaftlich ist, sehe ich ein. Auch dass alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen, um etwas Neues, Stabiles aufzubauen, akzeptiere ich. Aber gleich die ganze Frisur samt Kopf zu entfernen halte ich für nicht sinnvoll. Es muss doch eine Möglichkeit geben, das Haus ggf. auch ohne die Hilfe des oben genannten Landkreises und der Stadt weiterzuführen. Dass es wenigstens eine 24/7 Anlaufstelle für „kleine“ Notfälle wie ein gebrochener Arm oder kardiopulmonale Beschwerden gibt und dann natürlich eine kleine Allgemeinchirurgie und Allgemeine Innere Station bestehen muss. Auch das kann sicherlich mit den geplanten ca. 50 Betten realisiert werden. Einer Weiterverlegung, je nach Dringlichkeit auf unterschiedlichen Wegen, steht ja nichts im Wege.
Zu guter Letzt darf man auch uns, also die Mitarbeiter nicht vergessen. Wir alle haben wie schon geschrieben in den letzten Jahren, nicht alleine wegen Corona, z.T. übermenschliches geleistet und z.T. „nur“ Applaus dafür bekommen. Und nun verlieren ca. 75 % der Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Und das nur, weil die Politik der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte dafür gesorgt hat, dass kleine Krankenhäuser auf dem Land unrentabel geworden sind. Ein Krankenhaus, ja die ganze Gesundheitsbranche gehört in die öffentliche Hand und darf kein gewinnorientiertes Unternehmen sein. Ein Krankenhaus muss kein Plus erwirtschaften. Es muss Menschen behandeln und Leben retten. Unabhängig von Geld. Dies hält auch die Wirtschaft des Landes am Laufen, denn unsere Gesundheit ist mit das höchste Gut, das wir haben.
Und wenn wir unser Krankenhaus nicht mehr retten können, dann schaffen wir es vielleicht mit den anderen gefährdeten Krankenhäuser.
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