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Dienstag, 26. November 2024 Mediadaten Fankurve
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Höxter (TKu). "Wenn ich es nicht fotografiere, wird es nicht bekannt!“ So hat es die aus Höxter stammende Fotografin und Pulitzer-Preis-Trägerin Anja Niedringhaus formuliert, die sich für ihre Arbeit an die gefährlichsten Orte der Welt gewagt hat und deshalb selbst zum Opfer von Gewalt geworden ist. In ihrer Heimatstadt Höxter ist am Sonntag das FAN (Forum Anja Niedringhaus) im Tilly-Haus in der Westerbachstraße nach seiner Fertigstellung feierlich mit hochkarätigen Gästen eröffnet worden, darunter auch Kriegsberichterstatterin Antonia Rados, Anja Niedringhaus ihr guter Freund und Wegbegleiter während der Arbeit, Fotoreporter Muhammed Muheisen, Heimatministerin Ina Scharrenbach sowie Repräsentanten aus Bund, Land, Kreis und Stadt, Familienangehörige, darunter auch Anjas Mutter Heide Ute Niedringhaus, Freundinnen und Freunde sowie Kolleginnen und Kollegen von Anja Niedringhaus. Musikalisch wurde die Veranstaltung von dem Musiker Georg Rox begleitet. Der Festakt fand im Historischen Rathaus statt, bevor anschließend das FAN im Tilly-Haus in der Westerbachstraße besichtigt wurde. Eine Videobotschaft aus New York über das Wirken von Anja Niedringhaus kam von Daisy Veerasingham, Präsidentin der Internationalen Presseagentur Associated Press. Christine Longére, Vorsitzende des Forum Anja Niedringhaus e.V., begrüßte aber zu Beginn alle Anwesenden in dem bis auf den letzten Sitzplatz gefüllten Historischen Rathaus in Höxter. Sie erinnerte an den Todestag der berühmten Fotoreporterin am 14. April 2014 und an ihr Wirken. „Ihre Bilder zeigen die Schrecken des Krieges und allen voran die Menschen, die davon betroffen sind“, sagte Longére.

Als nächstes ergriff Heimatministerin Ina Scharrenbach das Wort. Anjas Arbeit sei für die Erhaltung der Demokratie unerlässlich gewesen, betonte Scharrenbach. Die Fotografin Amja Niedringhaus habe um die Macht der Bilder gewusst und sie entgegen einer Verzerrung der Wahrheit durch Kriegsparteien richtig eingesetzt. Die Ministerin inspirierten Niedringhaus ihre Bilder aus aller Welt noch heute. Auch Marianne Thomann-Stahl, Vorstandsmitglied des Fördervereins der NRW-Stiftung, erinnerte an Anja Niedringhaus. Ihre Stiftung hat das Gebäude des Forums finanziell maßgeblich mit unterstützt. Thomann-Stahl freute es, das die Restaurierung des Historischen Tilly Hauses, in dem das FAN nun eine Heimat gefunden hat, abgeschlossen ist und es für die Nachwelt erhalten bleibt. Das Tilly-Haus bezeichnete sie als ein „Bauhistorisches Schmuckstück“. Von einer „starken Frau“, einer „starken Botschaft“ und einem „starken Gebäude“ sprach Bürgermeister Daniel Hartmann in seiner Rede. Anja Niedringhaus sei laut Hartmann noch immer ein großes Vorbild für junge Menschen und Fotojournalisten. Das Ensemble des FAN im Tilly-Haus bilde nun zusammen mit dem benachbarten Forum Jakob Pins im Adelshof eine „starkes Einheit“, so Hartmann.

Warum begeben sich Fotografinnen und Fotografen ebenso wie Kriegsberichterstatter:innen in Krisengebiete, fragte sich Antonia Rados während ihrer Ansprache. Eine Antwort darauf könne sie jedoch nicht eindeutig nennen, sie betonte aber, wie bedeutend diese Arbeit an „vorderster Front“ für die Welt sei, um der Propaganda der Kriegsparteien etwas entgegen zu setzen. Kriegsberichterstatter und Fotografen in Konfliktsituationen seien „die Störenfriede der Propaganda“, weil sie neutral berichteten. Sie könnten die Welt zwar nicht ändern, aber für Zweifel an den Unwahrheiten der Propagandisten sorgen. Der Job, den sie selbst Jahrzehntelang für die Medien (darunter RTL) ausgeübt hat, sei riskant und anstrengend, aber das Risiko wert. Ein Bild eines Menschen aus Afghanistan von Anja Niedringhaus hat es Antonia Rados bei der anschließenden Besichtigung des Forums Anja Niedringhaus besonders angetan. Das Lachen dieses Menschen hat sie in ihren Bann gezogen - fasziniert von den Gesichtsausdrücken und von der Überzeugungskraft von Anja Niedringhaus, wie sie diese Menschen dazu bewegt hat, ein Foto von Ihnen machen zu dürfen.

Arbeitskollege und Freund von Anja, Muhammed Muheisen, war auch nach Höxter gekommen. Er ist ein international angesehener und weltweit bekannter Fotograf. Über Anja Niedringhaus sagte er in Englischer Sprache: „Meine beste Freundin, die ich vor 20 Jahren im Dezember 2003 in Bagdad im Irak kennengelernt habe und von der ich mich im April 2014 in Kabul, Afghanistan, verabschiedet habe. Eine liebe Freundin, eine Kollegin und vor allem der netteste Mensch und die beste Geschichtenerzählerin, deren Mission es war, den Menschen, die sie fotografiert hat, gerecht zu werden.” Er sieht es als große Ehre, die Ausstellung „The Power of Facts” zur offiziellen Eröffnung des Forum Anja Niedringhaus in Höxter, Deutschland, zu kuratieren. Das Forum werde Heimat von Fotojournalismus, Dokumentarfotografie und Kultur sein. Muhammed in seiner Eröffnungsansprache weiter: „Ein Ort, der den zukünftigen visuellen Geschichtenerzählern helfen und sie stärken wird und der vor allem die Zeugnisse und Geschichten hinter den ikonischen Bildern meiner besten Freundin zeigt, die für die kommenden Generationen für immer weiterleben werden.“

In einem persönlichen Statement ergänzte er: „Tief in meinem Herzen ist dieses Zitat von Anja verankert, in ihre Fußstapfen trete ich, da ich fest davon überzeugt bin, dass es keinen besseren Weg gibt, etwas zu bewegen, als die Fotografie.“ Das Vermächtnis eines jeden Fotografen sei seine Fähigkeit, Momente einzufangen, die Geschichte dokumentieren. Es gehe darum, den Kampf und das Überleben des Einzelnen zu zeigen. Muhammed Muheisen ist Mitglied im Beirat des Forum Anja Niedringhaus. Sein Werk wurde mit zahlreichen hohen Auszeichnungen gewürdigt. Der Pulitzer-Preisträger ist Gründer und Vorsitzender der niederländischen gemeinnützigen Organisation „Everyday Refugees Foundation“.

Anja Niedringhaus (1965 – 2014): Anja Niedringhaus wurde am 12. Oktober 1965 in Höxter geboren. Fotografiert hat sie schon als Jugendliche, erst für die Schülerzeitung des König-Wilhelm-Gymnasiums, dann als freie Mitarbeiterin der Lokalzeitung Neue Westfälische. Nach dem Abitur 1986 ging sie für die Kindernothilfe nach Indien und studierte im Anschluss an der Universität Göttingen Germanistik, Philosophie und Publizistik. Parallel schrieb und fotografierte sie für das Göttinger Tageblatt. 1990 verschafften ihr Bilder vom Berliner Mauerfall eine Festanstellung als erste Fotografin unter Fotografen bei der European Pressphoto Agency (EPA), bei der sie später Cheffotografin wurde. Nach zwei Jahren als Agenturfotografin drängte sie darauf, nach Jugoslawien zu reisen, wo Krieg ausgebrochen war. Danach war die Fotojournalistin in weiteren Konfliktund Kriegsgebieten in Palästina, Afghanistan, Kuwait, Libyen und Irak unterwegs. 2001 fotografierte Anja Niedringhaus die Folgen der Terrorarischläge vom 11. September in New York. Kurz darauf arbeitete sie erstmals in Afghanistan, wo sie in Mazar-e-Sharif und Kabul drei Monate lang über den Sturz der radikalislamistischen Taliban berichtete. 2002 wechselte sie zu der US-amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press und war seitdem offiziell in Genf stationiert.

Die Stempel in ihrem Reisepass lesen sich wie eine Chronik der großen Konfliktgebiete der Welt: Gaza-Streifen, Irak, Afghanistan, Türkei, Pakistan, Libyen und Kuwait. Aber auch in Wimbledon und bei anderen Großereignissen des Sports wie den Olympischen Spielen war sie regelmäßig vertreten.

Mehrfach wurde sie bei Kriegseinsätzen verletzt: Bereits beim ersten Einsatz in Sarajevo wurde sie von Heckenschützen unter Feuer genommen und getroffen. Sie überlebte nur durch ihre kugelsichere Weste. Schwerste Verletzungen erlitt sie auch 2010 in Kandahar, als sie durch eine Bombardierung von mehreren Granatsplittern getroffen wurde.

Pulitzer-Preis: Ihre Bilder erschienen weltweit auf den Titelseiten der Zeitungen. Und machten sie berühmt. Im Jahr 2005 erhielt sie als erste deutsche Frau den Pulitzer-Preis für eine Serie von Fotografien im Irak-Krieg. Mit Einfühlungsvermögen und Respekt fotografierte sie genauso in Abu Ghuraib wie in der Schlacht um Falludscha, den Tanklastwagen, der in Kundus auf Befehl des deutschen Oberst Klein bombardiert wurde, oder während der Anschläge auf die Zentrale des Internationalen Roten Kreuzes in Bagdad. Anja Niedringhaus interessierte sich nicht für die technische Kriegsmaschinerie, sondern dafür, was der Krieg bei den Menschen anrichtet. Der Blick hinter den Krieg, der schwierige Alltag der Bevölkerung, ganz besonders das alltägliche Leben der Kinder mitten in diesem unerträglichen Desaster, waren ihr wichtig. Von allen Ländern, aus denen sie jahrzehntelang über das Leid der Menschen berichtet hat, lag ihr Afghanistan am meisten am Herzen. Ihr Leitmotiv als Kriegsberichterstatterin war: „Wenn ich es nicht fotografiere, wird es nicht bekannt.“

2014 in Afghanistan ermordet: Anja Niedringhaus wurde am 4. April 2014 von einem afghanischen Polizisten in Khost erschossen. Ihr Tod löste weltweit Bestürzung und Betroffenheit aus. Am 12. April 2014 wurde sie unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in ihrer Heimatstadt Höxter beigesetzt. Aus New York und London, aus Kabul und Berlin waren Kollegen und Wegbegleiter nach Höxter gekommen, um gemeinsam mit Familie und Freunden in der Corveyer Abteikirche Abschied von Anja Niedringhaus zu nehmen.

Ausstellungen: Was ihre Fotografien aus der täglichen Bilderflut heraushebt, sind die kompositorische Kraft - und Menschlichkeit. Die Ausdruckskraft liegt in der außergewöhnlichen Bildsprache. Mit ihren vielfach preisgekrönten Fotografien gelang es ihr, Geschichten zu erzählen und emotionale Momente einzufangen, die beim Betrachten der Bilder große Zusammenhänge erfahrbar machen. Der meisterhafte Bildaufbau Ihrer Fotografien zeichnet den Rang ihrer fotografischen Arbeit aus. Vielfach wurden ihre Fotografien ausgestellt, unter anderem im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, im C/O Berlin, im Museum of Fine Arts in Houston, im Coalmine Forum für Dokumentarfotografie in Winterthur.

Fotos: Thomas Kube

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