Höxter (TKu). Ein relativ unscheinbares Grab befindet sich auf dem Höxteraner Friedhof, wenige Meter von der Umgehungsstraße, der B64/83, entfernt. Auf dem Hauptgrabstein stehen zwei Familiennamen und eine Notenfolge, das Albumblatt der Sonate „Fis-Moll“ von Robert Schumann. Wer hätte das gedacht, welche Nachfahren eines sehr prominenten musikalischen Ehepaares aus dem 19. Jahrhundert hier begraben sind, darunter Julie Walch. Julie oder auch Julchen genannt, ist eine geborene Schumann und die Enkeltochter des Deutschen Musiker-Ehepaares Clara und Robert Schumann. Das Ehepaar Schumann: Robert Schumann (1810 – 1856) war berühmter Komponist, Musikkritiker und Dirigent. Er wird heute zu den bedeutendsten Komponisten der Romantik gezählt. In der ersten Phase seines Schaffens komponierte er vor allem Klaviermusik. Alleine 1840, im Jahr seiner Eheschließung mit der Pianistin Clara Wieck, schrieb er knapp 150 Lieder. Clara Josephine Schumann geb. Wieck (1819 – 1896) war ebenfalls eine bekannte Pianistin, Komponistin, Klavierpädagogin und Herausgeberin sowie auch eine achtfache Mutter. Von 1840 bis zu seinem Tod 1856 war sie die Ehefrau Robert Schumanns. Am Anfang ihrer Karriere als Pianistin, die sie als Wunderkind begann, standen virtuose Klavierwerke, auch eigene, im Vordergrund. Bekannt wurde ihr Abbild durch den letzten 100-DM-Schein, bevor der Euro im Jahr 2002 eingeführt wurde. Bis heute wird darüber spekuliert, ob das äußerst freundschaftliche Verhältnis zu dem 13 Jahre jüngeren und ebenfalls sehr berühmten Musiker Johannes Brahms eine Liebesaffäre gewesen ist. Aus originalen Briefen Brahms an Clara Schumann ging jedenfalls gesichert hervor, das er Clara Schumann seine Liebe gestanden hatte. Das Verhältnis sorgte laut Überlieferungen in der Familie später für einige Unstimmigkeiten untereinander.
1874 erblickte Julie Schumann, auch liebevoll Julchen genannt, in Berlin das Licht der Welt, als Tochter von Clara und Roberts Sohn Ferdinand Schumann (1849 -1891) und Schwiegertochter Antonie Schuman (geborene Deutsch). In dem Grab auf dem Höxteraner Friedhof sind neben Julie Walch auch ihre Mutter Antonie Schuman (1853 - 1926), ihr sehr früh gestorbener Ehemann Alfred Walch (1871 – 1912) und zwei ihrer insgesamt vier Kinder, Käthe Walch-Schumann (1901 – 1988) und Hanna Walch-Moser (1910 – 2004), bestattet. In Deutschland bekannt wurde Julie Schumann durch das 1990 erschienene Buch „Mein liebes Julchen“, in dem bis dato unveröffentlichte Briefe von Clara Schumann an ihre Enkeltochter und Auszüge aus Julchens Tagebuch abgedruckt wurden. Julchen sei die Lieblings-Enkelin von Clara Schumann gewesen, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass sich Clara um Erziehung und Ausbildung von Julchen gekümmert hatte. Weil Sohn Ferdinand nach seiner Teilnahme am deutsch-französischen Krieg 1870/71 an schwerem Gelenkrheumatismus erkrankte, dadurch morphiumabhängig und berufsunfähig wurde, sei er nicht mehr in der Lage gewesen, seine Frau und seine sechs Kinder zu versorgen. Er starb 42-jährig. Clara Schumann nahm sich der Familie an und versuchte, vor allem den Kindern gute Erziehungs- und Ausbildungsmöglichkeiten zu verschaffen. Julie war die Älteste und lebte in den Jahren 1884 bis 1887 über längere Zeit im Haus von Clara Schumann. Das Verhältnis war nicht unproblematisch. Die Großmutter erwartete Wohlverhalten und Dankbarkeit, sah sich jedoch vielfach enttäuscht. Zudem fehlte es ihr altersbedingt an Kraft und Flexibilität, dem heranwachsenden Mädchen in allen Belangen gerecht zu werden. Ab Ostern 1888 besuchte sie daher die Einrichtung der Königin-Luise-Stiftung in Berlin – eine Bildungsanstalt, wo auch Musik gelehrt wurde. Clara Schumann hielt in diesen Jahren regelmäßigen Briefkontakt mit ihrer Enkelin.
Julie Schumann heiratete im Jahr 1900 im Alter von 25 Jahren den Architekten Alfred Walch, der nach seinem Studium in München und Hannover von 1900 bis 1904 erst Lehrer an der Baugewerkschule in Posen, ab 1904 Oberlehrer an der Baugewerkschule in Hildesheim war und 1910 nach Höxter wechselte als neuer Leiter der hiesigen Baugewerkschule. Militärisch hatte er den Rang als „Königlicher Leutnant der Reserve“. Den Ersten Weltkrieg erlebte Alfred Walch jedoch nicht mehr, er verstarb krankheitsbedingt im Jahr 1912 sehr früh im Alter von nur 41 Jahren. Zwanzig Jahre lang tätigte Julies Tante Marie Schumann Massenverkäufe aus dem Schumann-Nachlass, stets zu ausschließlichen Gunsten der Familie Walch in Höxter, wie aus historischen Quellen hervorgeht. Alfred Walchs Krankheit, Begräbnis und Schulden habe Marie bezahlt. Nachdem Julie Walch als Mutter von vier Kindern, ihr jüngstes Kind war erst zwei Jahre alt, im Jahr 1912 verwitwete, widmete sie ihr Leben insbesondere der Musik, wie schon ihre berühmten Vorfahren. Bis sie im Jahr 1955 in Höxter im Alter von 80 Jahren verstarb, war sie beruflich als Musikpädagogin und Klavierlehrerin aktiv. Für diesen Artikel wurden zahlreiche Quellen im Internet verwendet, darunter auch das „Schumann-Portal“ und veröffentliche Briefe und Biografien der Musikerfamilie.
Fotos/Repro: Thomas Kube