Stadtoldendorf (red). Der Musische Kreis Stadtoldendorf lädt zu einer öffentlichen Autorenlesung mit Jürgen Gückel am Dienstag, den 1. November 2022, 18 Uhr, im Gemeindesaal der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, Pfarrstraße 2, Stadtoldendorf. Der Referent sein neues Buch „Heimkehr eines Auschwitz-Kommandanten: Wie Fritz Hartjenstein drei Todesurteile überlebte“ vor. Eintrittsgebühren werden nicht erhoben.
Mit dem abenteuerlichen Leben des einstigen Kommandanten von Auschwitz und des riesigen Konzentrationslager-Komplexes Natzweiler hat sich der aus Hartjensteins Heimatstadt Peine stammende Journalist und Autor Jürgen Gückel in jahrelanger Recherche beschäftigt. In der biografischen Reportage über die Rekonstruktion des selbst in seiner Heimat völlig vergessenen NS-Verbrechers widerlegt Gückel viele bisherige biografische Annahmen über Hartjenstein. So ist dieser nicht etwa, wie viele Historiker eine Behauptung der Familie weitergaben, in Kriegsgefangenschaft an einem Herzschlag gestorben. Vielmehr hat ihn der französische Staatspräsident in einem widerrechtlichen humanitären Akt vier Stunden vor seinem absehbaren Tod an Blasenkrebs 1954 rasch noch aus dem Gefängnis entlassen, damit der höchstrangige noch einsitzende deutsche SS-Offizier nicht in französischer Gefangenschaft stirbt. Zuvor war Hartjenstein im ersten großen französischen Kriegsverbrecherprozess in Rastatt bereits 1947 zum Tode verurteilt worden und überlebte noch zwei weitere Todesurteile, so dass er, der sich immer als unschuldig ansah, weil er nur Befehlen gefolgt sei, letztlich als freier Mann sterben konnte.
Eingebettet ist Gückels Biografie in eine umfangreiche Familienerforschung. Denn auch andere Verwandte waren in ihrer niedersächsischen Heimat an Verbrechen an Juden beteiligt. So macht das Buch auch deutlich, wie es möglich, ja logisch war, Taten und Täter nach 1945 rasch zu verdrängen und zu vergessen. Selbst ein so exponierter KZ-Kommandant wie Hartjenstein war bis zum Erscheinen der Arbeit in seiner Heimatstadt vollständig vergessen, wobei sein Großneffe Werner H. seit Jahrzehnten versuchte, das dramatische Leben seines Großonkels und dessen Verstrickungen in die nationalsozialistischen Verbrechen zu erforschen. Diese Quellen hat er Jürgen Gückel für dessen mitreißenden Reportage über den einzigartigen Lebensweg des KZ-Kommandanten zugänglich gemacht. Die Interessierten erwartet eine anschauliche Geschichtsstunde.
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