Fürstenberg (red). Zum 275. Jubiläum der Porzellanmanufaktur Fürstenberg zeigt das Museum Schloss Fürstenberg in der Ausstellung „In Herz und Hand“ einzigartige Porzellan-Schätze aus Privatbesitz. Darunter befindet sich auch das sogenannte „Holländische Service“ aus dem 18. Jahrhundert, das erstmals in Deutschland ausgestellt wird. Warum ein Porzellan aus Fürstenberg diesen Namen trägt und wie es letztlich zurück an den Ort seiner Produktion gelangte, verrät Dr. Christian Lechelt und gibt damit einen kleinen Einblick in die vielen Geschichten, die die Porzellane der Ausstellung erzählen.
Herr Dr. Lechelt, warum ist das „Holländische Service“ eines der Highlights der Ausstellung?
Das Service entstand 1773/74. Es ist mit 185 Teilen das größte zusammengehörige Service, das von Fürstenberg aus dem 18. Jahrhundert erhalten ist. Angefertigt wurde es für einen unbekannten niederländischen Kunden, es ist im Manufakturarchiv sogar dokumentiert. Alle Teile sind mit aufwändigen Landschaftsmotiven bemalt, insgesamt sieben Maler – darunter auch der berühmte Pascha Weitsch – waren an der Anfertigung beteiligt. Nachdem das Service 1774 an den Kunden abgeliefert wurde, verschwand es von der Bildfläche. Erst zu Beginn der 1960er Jahre tauchte es im Kunsthandel auf, wo es die Eltern der heutigen Besitzererwarben. Was mag das Service in diesen fast 200 Jahren wohl erlebt haben? Dass es so umfangreich, beinahe vollständig, erhalten geblieben ist, zeigt, dass das Service eine außerordentliche Wertschätzung erfahren haben muss. Die Stücke zeigen kaum Gebrauchsspuren.
Sie haben die Ausstellung mit dem Freundeskreis Fürstenberger Porzellan e.V. und den Sammler*innen gemeinsam kuratiert. Wie verlief die Zusammenarbeit?
Bereits 2019 haben wir mit den ersten Überlegungen und der Ideensammlung begonnen. Es folgten zwei Jahre Konzeptentwicklung, Sammlungsbesuche und das Zusammentragen von geeigneten Objekten aus den diversen Privatsammlungen. Wiederholte Videokonferenzen dienten der eifrigen Diskussion, sodass die Entwicklung der Ausstellung nicht ‚im stillen Kämmerlein‘ stattfand, sondern als offener, partizipativer Prozess. Konzept und
Objektauswahl standen im Herbst 2021. Es berührt zutiefst, einer so geballten Passion zu begegnen, die eine 275-jährige Porzellanmanufaktur als das begreift, was sie ist: ein unabdingbares Kulturgut und dadurch heute und in Zukunft so relevant wie zum Zeitpunkt ihrer Gründung.
Fürstenberg ist heute eine moderne Manufaktur, die vor allem für zeitgemäße Tischkultur bekannt ist. Welche Werte, die heute noch die Manufaktur prägen, vermitteln die historischen Stücke?
Insbesondere die vielen hervorragenden Objekte aus dem 18. Jahrhundert erinnern daran, dass Fürstenberg eine Manufaktur von internationalem Rang bereits in dieser Zeit war. Außerdem illustrieren sie eindrucksvoll, wie die Manufaktur immer am Puls der Zeit war und sich stets auf die Wünsche, Interessen und Bedürfnisse des Publikums eingestellt hat. Dies zeigt sich auch besonders an den sehr vielfältigen, opulenten „Luxusporzellanen“, die in den 1920er Jahren in dem Zweigbetrieb für Porzellanmalerei in Dresden geschaffen wurden. Erstmals werden diese Objekte in Fülle in einer Ausstellung gezeigt und das Thema überhaupt herausgestellt.
Es gibt Fürstenberg Porzellan sogar im Besitz der englischen Königin. Kann man davon etwas im Museum sehen?
Dank des großzügigen Engagements der Richard Borek Stiftung in Braunschweig können wir 15 Teile aus dem Service mit braunschweigischen Landschaften zeigen, das von 1763 bis 69 für Herzog Carl I. angefertigt wurde. Nach seinem Tod wurde das Service 1794 geteilt: Die Herzogin Augusta schenkte eine Hälfte des Services ihrer Tochter Prinzessin Caroline von Braunschweig als Mitgift zu ihrer Hochzeit mit dem Prinzen von Wales, dem späteren König Georg IV. von England. Deshalb befindet sich diese Servicehälfte bis heute auf Schloss Windsor im Besitz der englischen Königin. Die andere Hälfte muss zu einem unbekannten Zeitpunkt veräußert worden sein, denn es tauchten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und im frühen 21. Jahrhundert einige Konvolute daraus auf dem Markt auf. Die ausgestellten 15 Stücke sind die jüngst wieder aufgetauchten Objekte aus diesem so bedeutenden Service.
Das Besondere an diesem Service ist, dass als Vorlage für den Maler Pascha Weitsch keine beliebigen Kupferstiche dienten, sondern Skizzen, die er auf ausgedehnten Wanderungen durch das Herzogtum angefertigt hatte. Jedes Stück des Services ist mit einer anderen Ansicht eines Dorfes, einer Stadt oder eines Landstrichs bemalt, die Motive sind auf den Stücken sogar bezeichnet. Mit dem Service hatte der Herzog sein Herrschaftsgebiet bildlich auf die Tafel geholt.
Foto: FÜRSTENBERG