Stadtoldendorf (rus). Nie war es den Menschen wichtiger, über die Herkunft der Erzeugnisse aus Landwirtschaft und daneben insbesondere auch der Viehhaltung Bescheid zu wissen. Doch allgemein gültige Mindeststandards, die mit einem Etikett etwa über die Haltungsform Aufschluss geben, helfen den Verbrauchern nur bedingt. Zum einen geben sie auch bei den deutlich besseren Tierhaltungsbedingungen keinen Aufschluss darüber, ob es den Tieren tatsächlich gut gegangen ist - mehr Platz und Einstreu im Stall sind noch kein Garant für mehr Tierwohl, sind sich auch die Verbraucherzentralen sicher. Und zum anderen ist das Angebot an „besserem“ Fleisch einfach immer noch viel zu gering auf dem Markt.
Dies alles ist ein Trend, den auch Landwirt Dietmar Liesch aus Stadtoldendorf spürt. Auf seinem Hof betreibt er schon seit vielen Jahren, inzwischen in dritter Generation, eigene Viehhaltung im Nebenerwerb und verkauft Rindfleisch direkt ab Hof. In den Letzen Jahren allerdings stieg die Nachfrage rapide an: „Unsere Kunden machen sich heute deutlich mehr Gedanken darüber, wo das Fleisch herkommt, das sie verzehren“, erklärt Liesch. Und das können sie sich auf dem Bauernhof der Familie Liesch am Stadtrand von Stadtoldendorf sogar selbst anschauen. Gehalten werden die Bullen der Rassen Limousin und Blau-weiße Belgier dort in einem gut belüfteten Stall auf Stroh.
Wurden bis vor sechs Jahren noch weitaus mehr Tiere gehalten und verkauft, beschränkt sich der Familienbetrieb heute nur noch auf das, was auch selbst vermarktet werden kann. Und das sind immerhin alle drei Wochen ein ausgewachsener Bulle, der aufgeteilt wird. Ein Exemplar wiegt dabei bis zu 800 Kilogramm. Da diese Tiere nicht kastriert sind, werden sie allerdings fast nur im Stall gehalten. „Die Tiere haben eine enorme Kraft, die sie selbst nicht kontrollieren können“, erklärt Liesch. „Jedes Jahr sterben durch den Umgang mit diesen Tieren Menschen, weil sie einfach mit ihren enormen Kräften unterschätzt werden,“ weiß er.
Tradition seit 1952
Die Viehhaltung ist Dietmar Liesch schon in die Wiege gelegt worden. Schon seine Großeltern pflegten eine große Liebe zu Vieh und Acker, als sie 1949 nach dem Krieg aus Gefangenschaft zurückkehrten. 1952 wurde in der Altstadt von Stadtoldendorf der frühere Bauernhof der Familie Klie übernommen, recht zügig entwickelte sich der Betrieb dann in den Folgejahren und wurde damals für Alfred und Helene Liesch sogar zu einem mittelständischen Haupterwerbsbetrieb. 1958 wurde im Mardieksweg eine eigene Feldscheune errichtet, um dort Futtervorräte und Feldfrüchte zu lagern. Milch wurde täglich in Literkannen direkt an die Kunden verkauft und Kartoffeln wurden zum Verkauf sogar bis in die Keller der Kundschaft getragen. Auf der Postkarte rechts aus den 1950er Jahren ist die Feldscheune übrigens noch nicht zu sehen, wohl aber das Grundstück im Mardieksweg, wo heute der Sitz des Bauernhofes ist.
Anfang der 1970er Jahre wurde der Hof an die nächste Generation abgegeben und mit gleicher Leidenschaft weiter ausgebaut. Als die Größe der damaligen Hofstelle in der Burgtorstraße nicht mehr ausreichte, wurden mehrere Versuche unternommen, den Betrieb an den Stadtrand auszusiedeln. Allerdings blieb es bei den Versuchen, sodass ab Mitte der 1980er Jahre der Betrieb nur noch im Nebenerwerb existieren konnte. Die Milchkühe wurden 1993 abgeschafft und man konzentrierte sich fortan eher auf die Fleischerzeugung, denn schon seit Mitte der 1970er Jahre wurde regelmäßig Rindfleisch direkt vermarktet. 2004 schließlich übernahm Dietmar Liesch gemeinsam mit seiner Frau Martina den elterlichen Betrieb und führt ihn seitdem ebenfalls im Nebenerwerb fort. Auch Tochter Julia Bammel sowie viele weitere Helfer unterstützen, wenn Hilfe benötigt wird. Vor ziemlich genau 10 Jahren wurde dann schließlich endlich auch der Rest der Hofstelle an den Mardieksweg verlegt. Die Direktvermarktung von Rind und Geflügel ist neben dem Ackerbau und der Grünlandbewirtschaftung noch heute der Schwerpunkt des Hofes.
Rindfleisch und Geflügel sind die beiden Standbeine
Neben Weidegänsen und Hähnchen, die sich ebenfalls, nicht nur zu Weihnachten, wachsender Beliebtheit bei den Kunden erfreuen, ist das Hauptaugenmerk des Bauernhofes heute die Aufzucht und Pflege von Bullen und schließlich die Vermarktung des daraus gewonnenen Fleisches. Und diese Tiere sollen in der großen Feldscheune auch so gut wie möglich gehalten werden. „Unsere Bullen stehen auf weichem Stroh“, erklärt Liesch, was nicht gerade üblich sei. Eine weitere Besonderheit: Neben Maissilage, dem klassischen Standardfutter in der Viehhaltung, wird insbesondere auch Heu zugefüttert. Dies ist nicht nur ein naturnahes Futter, es wirke sich auch positiv auf Geschmack und Struktur des Fleisches aus, sagt Liesch. Es ist allerdings auch deutlich kosten- und zeitintensiver, denn Heu in solchen Mengen muss auch erst einmal wachsen, geerntet und überhaupt fütterungsfertig zur Verfügung stehen. „Wir machen das alles in Eigenregie, alles kommt aus Stadtoldendorf und wächst hier“, so Dietmar Liesch.
Geschlachtet wird das Fleisch allerdings nicht in der Homburgstadt: „Wir lassen die Tiere bei der Landschlachterei Hanke in Gronau schlachten und aufteilen“, erklärt Dietmar Liesch den Vorgang. Nach 17 Tage Reifezeit – je länger, desto besser – kommt das Fleisch, nach dem es durch die Schlachterei noch entsprechend veredelt und gewürzt wurde, frisch und fertig aufgeteilt nach Stadtoldendorf. Jedes Tier verliert in der Reifezeit nach dem Schlachten allein durch den Wasserverlust nochmal gut 50 Kilogramm an Gewicht. Die Aufteilung je nach Kundenwunsch erfolgt dann auf dem Bauernhof der Familie Liesch, noch am selben Tag können die Bestellungen auch abgeholt werden.
Für Kunden gibt es das Fleisch ausschließlich auf Bestellung. „Kunden melden sich in der Regel telefonisch, per Mail oder WhatsApp bei uns und bestellen für die nächste Aufteilung, was genau gewünscht wird“, erklärt Dietmar Liesch.
Es gibt dabei keine Mindermengen oder weiteren Anforder-ungen, „alles, was der Kunde haben möchte, soll er auch bekommen“. Die Palette reicht dabei von Rindermett, Gulasch und Roastbeef bis hin zu Bratwurst, Cevapcici und ordent-lichen Burger-Patties. Auch Klassiker wie das Filetstück oder T-Bone-Steak sind erhältlich. Dazu gibt es inzwischen auch weitere Produkte, wie etwa Rinderbouillon aus der Dose oder fertige Currywurst, die sofort auf den Grill kann. „Besonders zur Grillsaison schmecken auch Käsebratwurst und unsere Schinkengriller gut“, schwärmt Liesch von den eigenen Produkten.
Für Liesch selbst sind Viehhaltung und Landwirtschaft im Nebenerwerb nicht nur eine schöne Abwechslung vom Berufsalltag, es ist auch ein gutes Stück Tradition, die damit fortgeführt wird. „Wir leben und arbeiten heute direkt an Feldscheune, die schon meine Großeltern gebaut haben“, blickt Liesch zurück. Und: „Auch heute arbeiten wir noch mit der gleichen Liebe zur Landwirtschaft, wie schon vor mehr als 60 Jahren“. Tradition verpflichtet eben auch.
Fotos: rus, Liesch