Stadtoldendorf (red). Erdacht hat die „Stolpersteine“ 1992 der Kölner Künstler Gunter Demnig. Er wollte den Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten zu Nummern degradiert und ermordet wurden, die Erinnerung an sie zurückgeben und die Namen zurück an die Orte ihres Lebens bringen. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, begründet Demnig sein Engagement. Bis Ende 2020 wurden über 90.000 Gedenksteine in Europa gesetzt, darunter in Deutschland über 75.000 in fast 1.200 Städten und Gemeinden, weiterhin auch in Frankreich und Russland.
Seit 2007 wurden in Stadtoldendorf - auf private Initiative hin - die ersten „Stolpersteine“ verlegt; inzwischen sind im Laufe der Jahre weitere hinzugekommen, so dass gegenwärtig 32 dieser Gedenktäfelchen im Stadtgebiet anzutreffen sind (Stand 2021). Mit der Zeit verlieren einige der Messingtafeln auf den kleinen Betonquadern aber deutlich an Glanz. Manche sind sogar so schmutzig, dass man sie kaum noch wahrnimmt. Im Herbst des letzten Jahres referierte die ehemalige Lehrerin Jutta Henze vor den Schüler*innen der Klasse 10b über das Leben der Juden während des Nationalsozialismus in Stadtoldendorf. Jetzt wurde die Thematik auch im Deutschunterricht behandelt. Ergriffen von den Schicksalen der Stadtoldendorfer Mitbürger und um zu verhindern, dass die Stolpersteine unter einer Schicht von Schmutz und gleichsam die Opfer des Nationalsozialismus unter einer Schicht des Vergessens verschwinden, boten sich jetzt, 77 Jahre nach Kriegsende am 8. Mai, Gruppen von Schülern der Klasse 10 b der Homburg-Oberschule Stadtoldendorf an, um unter der Leitung ihrer Lehrerin Veronika Seidel mit Putzlappen, Reinigungsmittel und Stadtplan ausgerüstet den Stolpersteinen einen Teil ihres alten Glanzes zurückzugeben. „Wir sind interessiert an der Geschichte von Stadtoldendorf. Wir wollen nicht, dass sie vergessen wird. Wir wollen es nicht vergessen“, äußern sich die Schüler*innen. Als allerersten Stein wurde der von Wilhelm Matzdorf in der Hoopstraße 7 wieder auf Hochglanz poliert und sich mit der dahinterliegenden Lebensgeschichte beschäftigt: Geboren 1892 in Stadtoldendorf und ermordet 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen war technischer Leiter und persönlich haftender Gesellschafter der Weberei A.J. Rothschild Söhne in Stadtoldendorf.
„Das Erinnern an die Schrecken des Nationalsozialismus ist wohl eine der wichtigsten Grundlagen des Kampfes für Demokratie und Toleranz und gegen das erneute Aufkommen von Fremdenhass und Diktatur. Daher liegt es uns als gesellschaftlich aufgeschlossene Schule besonders am Herzen, an Aktionen wie dem Stolpersteinputzen teilzunehmen“, erklärt Veronika Seidel.
Die Stadtoldendorfer Stolpersteine erstrahlen in dieser Woche wieder in neuem Glanz und werden das, durch das gemeinsame Engagement der „Homburg Schüler*innen, auch hoffentlich noch lange tun. Und vielleicht wird in Zukunft der ein oder andere nicht mehr nur mit starr geradeaus gerichteten Augen durch Stadtoldendorf laufen, sondern doch einmal mehr demütig den Blick senken, um im Gedenken an die unschuldigen Opfer von Fremdenhass und Rassenwahn auf dem Boden nach Stolpersteinen Ausschau zu halten.
Foto: Wolfgang Früh