Landkreis Holzminden (red). Bürgerbus, Dorfkümmerer oder ausleihbare eLastfahrräder: Die Palette an bundesweit im Modellvorhaben MoVerMo umgesetzten Ideen kann sich durchaus sehen lassen. Die vom Bundesverkehrsministerium ins Leben gerufene, zweijährige „Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“, bei der in 18 Pilotregionen nach umsetzbaren Möglichkeiten für gute künftige Lebensverhältnisse jenseits der Ballungszentren gesucht werden sollte, hat die Ziellinie überschritten. In Berlin durften jetzt alle Teilnahmeregionen – darunter auch der Landkreis Holzminden - ihre Ergebnisse präsentieren und über Perspektiven diskutieren. Wie die Bundesregierung die angestoßenen, zum Teil vielversprechenden Vorhaben künftig begleitet, ist allerdings ungewiss.

Zwei Jahre lang hatte der Landkreis Holzminden die Chance genutzt, mit finanzieller und ideeller Unterstützung des Bundeverkehrsministeriums Daten zu sammeln, um anschließend unter Bürgerbeteiligung direkt vor Ort Ideen für die Entwicklung des ländlichen Raums zu sammeln und – wo möglich – auch in die Tat umzusetzen. MoVerMo sei für den Landkreis ein Glücksfall gewesen, konnte Landrätin Angela Schürzeberg am Ende des Modellvorhabens zufrieden konstatieren. Zusammen mit 17 anderen Modellregionen – 13 Landkreisen und fünf Landkreiskooperationen – sollten in Berlin die verschiedenen Lösungsansätze vorgestellt werden und mithilfe flankierender Vorträge über das künftige Vorgehen diskutiert werden. 

Die Bedingungen für eine solche Veranstaltung waren im Lichthof des altehrwürdigen Altbaus des Bundesverkehrsministeriums in der Berliner Invalidenstraße geradezu ideal. Während die Besucher und Besucherinnen im Innenbereich den einzelnen Themenreferaten und der abschließenden Podiumsdiskussion mit Staatssekretär Dr. Markus Kerber und verschiedenen Landrätinnen und Landräten folgen konnten, umsäumten die Stände der einzelnen Landkreise mit ihren Präsentationen das Geschehen. Einige Teilnehmende hatten ihre Mobilitätskonzepte zum Anschauen oder Ausprobieren sogar gleich mitgebracht. Neben der Vorstellung zentraler Ergebnisse und Perspektiven, die etwa durch Kurzvorträge zur Zukunft der Daseinsvorsorge aus Sicht von überregionalen Planern gegeben werden sollten, stand vor allem auch die konkrete Wahrnehmung von Lösungen der Beteiligten aus den jeweils anderen beteiligten Modellregionen im Vordergrund. Denn ähnlich gelagerte Probleme hatten durchaus nicht dieselben Umsetzungsvorschläge zur Folge gehabt. Die Gelegenheit, sich weitere Impulse geben zu lassen, lag da auf der Hand.

Die Begeisterung dafür, was bei MoVerMo herausgekommen ist, war allenthalben groß. „Sie sind schon wesentlich weiter, als ich gedacht habe“, befand auch Dr. Markus Kerber während der abschließenden Podiumsdiskussion. Wenn Journalisten ihn in der Vergangenheit nach zentralen Inhalten und Themen des Heimatministeriums gefragt hätten, habe er häufig Mühe gehabt, konkrete Beispiele zu nennen. Die seien ihm über die Ergebnisse der einzelnen Modellregionen nun gegeben worden. Und mehr noch, durch die Realisierung einzelner Projekten sei man schon weiter als das Ministerium selbst. „Sie präsentieren schon Lösungen, für die wir noch an den richtigen Schwerpunktsetzungen für die Fragen arbeiten“, lobte der Staatssekretär. Mögen der bald in der Samtgemeinde Bodenwerder-Polle fahrende Bürgerbus, eine Partybus-App im Landkreis Sigmaringen oder der per Anruf zu steuernde Ilse-Bus in der Modellregion Vorpommern-Greifswald als handfeste Ergebnisse auch eindrucksvolle Entwicklungen markieren, so war den Planern mehr noch das mithilfe von MoVerMo gesammelte Zahlenmaterial wichtig. Denn das hat allen teilnehmenden Regionen die eigene zeit- und geldaufwändige Erhebung für das Raumentwicklungsprogramm erspart. 

Genauso wichtig auch, dass während des gesamten Vorhabenprozesses die Betroffenen konstruktiv mit eingebunden waren. Alle Resultate waren aus öffentlichen Diskussionen hervorgegangen. „Die Innovationen kommen von unten!“, konnte dementsprechend der Moderator der abschließenden Podiumsdiskussionen mit den kommunalen Vertretern, Professor Dr. Peter Dehne von der Hochschule Neubrandenburg, apodiktisch feststellen. Eine Erkenntnis, die auch künftig nicht außer Acht gelassen werden soll. „Wir müssen vorangehen, dürfen dabei aber nicht vergessen, die Bürger mitzunehmen“, meinte der Landrat des Kreises Wesermarsch, Thomas Brückmann. Und auch Holzmindens Landrätin Angela Schürzeberg unterstrich, dass es wichtig sei, die Bürgerideen weiter aufzunehmen. „Ich bin ein großer Fan von Dorfmoderationen, viele Impulse kommen genau von dort“, sagte Schürzeberg. 

Eine zentrale Frage nach Abschluss von MoVerMo jedoch war, wie es denn mit den bereits umgesetzten, aber auch mit den noch im Planungsstadium befindlichen Projekten weitergehen könnte. Eine zentrale Kommission für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse soll geschaffen werden, so viel ist sicher. Deren Aufgabe sei es, so Dr. Markus Kerber, die guten Ergebnisse von MoVerMo aus den einzelnen Landkreisen herauszuarbeiten. Um dann, so Kerber, unterschiedliche Ministerien anzusprechen, wie dort weitere Mittel für eine Fortführung einzelner Projekte freigesetzt werden könnten. Doch wie lange so etwas dauert, und ob „die Impulse aus den Landkreisen mit ihren zum Teil einfachen Lösungen eine Dynamik in den einzelnen Ministerien tatsächlich auslösen“ werden, wie Kerber das hofft, ist ungewiss. Kein Wunder also, dass Landrätin Angela Schürzeberg sich in diesem Zusammenhang nicht beirren ließ und ihrer Hoffnung auf weitere Unterstützung aus Berlin für die Landkreise Ausdruck gab: „Ich fordere das Ministerium auf, uns zu sagen, was der nächste Coup ist“, beharrte Schürzeberg während der Podiumsdiskussion gegenüber Kerber.

Dass der nicht aus einer ungebrochenen Fortsetzung des Zentralisierungsgedankens bestehen könne, vergaß die Landrätin abschließend auch nicht zu erwähnen. Gerade das Bundesland Bayern sei ja mit gutem Beispiel vorangegangen, indem dort Ämter und Verwaltungsinstitutionen stärker aus den Ballungszentren heraus in den ländlichen Raum verlagert worden seien. Im Bundesland Niedersachsen, betonte die Landrätin mit Blick auf die geplante Fusion der Hamelner und Holzmindener Finanzämter, sei momentan allerdings immer noch das Gegenteil der Fall. „Es kann doch nicht sein, dass wir so weiter machen wie bisher und den ländlichen Raum weiter seiner institutionellen Daseinsvorsorge berauben“, meinte Schürzeberg. Schließlich habe man ja auch eine Weltindustrie vor Ort, da erwarte man auch Dinge von der Politik, die den ländlichen Raum stärken - und nicht schwächen.

Foto: Landkreis Holzminden