Holzminden (sst). „Demokratie lebt und wird durch die Beteiligung der Bürger gestärkt, weshalb wir uns heute Abend auf einen großen Austausch freuen“, leitete Janett Brandt, Unterbezirksvorsitzende der SPD in Holzminden, den Abend ein. Vergangenen Freitag, um 18:30 Uhr, veranstaltete die SPD eine Gesprächsrunde im Altendorfer Hof mit dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Durch den Abend führten als Moderatorinnen neben Janett Brandt auch Sabine Tippelt, Landtagsabgeordnete und Vizepräsidentin im Niedersächsischen Landtag. Auf Bierdeckeln konnten Fragen aufgeschrieben werden, die zwischendurch eingesammelt und den Moderatorinnen überreicht wurden. Die Moderatorinnen stellten Stephan Weil die Fragen themenorientiert.

Thematisch bezogen sich die Fragestellungen dabei insbesondere auf das Krankenhaussterben im ländlichen Raum, Bildung, Jugend in der Politik, ÖPNV, Bürokratie sowie Digitalisierung. Der Ministerpräsident wich keinen Fragen aus, sondern bot vielmehr die Möglichkeit an, bei Ungewissheit eine Mail zu schreiben und eine konkretere Rückmeldung zu erhalten. Dabei stellte Stephan Weil selbst fest: „Je allgemeiner die Fragen, desto präziser die Antworten und umgekehrt.“

Den inhaltlich größten Schwerpunkt bildetet die Einstiegsfrage hinsichtlich des Krankenhaussterbens. Der Ministerpräsident entgegnete, dass das Krankenhausproblem in Holzminden kein Einzelfall sei, sondern flächendeckend vorherrsche. Dies hänge von der Fallkostenpauschale ab: Je mehr Personen krank seien, desto mehr verdienen die Krankenhäuser. Wenn nun allerdings die Zahl der Kranken zurückgehe, können sich die Krankenhäuser nicht mehr finanzieren. Hinzukomme der Fach- und Arbeitskräftemangel. Daher ist für den Ministerpräsidenten eine Krankenhausreform von enormer Bedeutung, um von dem System der Fallkostenpauschale wegzukommen. Er plädiert insbesondere für eine Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern. Sobald der Applaus für seine Antwort begann, grätschte eine selbstbewusste Frau ein und kritisierte Stephan Weils Aussagen hinsichtlich der Zeitproblematik: „Seit Jahren wird keine konkrete Lösung präsentiert! Ich war selbst Krankenschwester und befürworte die Verstaatlichung von Krankenhäusern, um nicht bei einem Herzinfarkt noch durch die Gegend fahren zu müssen!“ Für Stephan Weil ist das Zurverfügungstellen von Geld durch die Verstaatlichung allerdings keine primäre Lösung, da das System grundlegend verändert werden müsse. Er stimmt der Dame jedoch zu mit seinen Worten: „uns allen brennt es genau so, wie sie es geschildert haben“, womit er die Krankenhausproblematik zusammenfasste.

Sabine Tippelt leitete folglich zum Thema des ÖPNVs über und dessen Ausarbeitung. Der Ministerpräsident äußerte sich dabei gegen eine Vergrößerung des ländlichen Personennahverkehrs, da diese viel zu wenig genutzt würden. Er zweifelt, dass der Aufbau dieses Systems hilfreich sei, denn dadurch steige die Anzahl der ÖPNV-Nutzer nicht automatisch an. Er befürwortet deshalb vielmehr sogenannte Ruf-Busse, die über eine App bestellbar seien. Mit diesem Thema wurde ein Fass geöffnet, das für Diskussionen über die Tische hinweg sorgte. Denn insbesondere Eltern von Schülern beklagten sich über die Busproblematik im Landkreis Holzminden. Sabine Tippelt griff ein, dass die Busproblematik insbesondere mit der schlechten Bezahlung und den daraus resultierenden Streiks der Busfahrer zusammenhänge. Dadurch entstehe erneut ein Arbeitskräftemangel, da wenige aufgrund einer derartig schlechten Bezahlung den Beruf eines Busfahrers ausüben möchten. Es wird also erkennbar, dass viele Einzelfaktoren über eine lange Kausalkette miteinander verbunden sind.

Detlev Knop als Inhaber des Altendorfer Hofes stellte die Frage, ob der Ministerpräsident eine Wiedereinführung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Essen und Trinken befürworte oder davon abrate. Der Gastronom betonte dabei das Gastronomiesterben auf dem Land durch die zu geringen Einnahmen. „Der Abbau von Gastronomien im ländlichen Raum ist nicht abhängig von 7 oder 19 Prozent Mehrwertsteuer, sondern dem Trend zur Individualisierung verschuldet. Denn dadurch bleiben die Menschen lieber zu Hause, was sich in Corona sehr stark etabliert hat. Vergleichbar ist dieses Problem mit dem Online-Shopping“, äußerte sich Stephan Weil diesbezüglich.

Eine persönliche Abschlussfrage mündete in Stephan Weils Zukunftsplänen, woraufhin dieser entgegnete: „Ich werde zwar schöner, aber nicht unbedingt leistungsfähiger, weshalb ich bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr antreten werde. Ich möchte in den Bereich der sozialen Arbeit gehen und ehrenamtlich Hausaufgabenhilfe für Kinder anbieten.“ Nach diesen persönlichen Informationen bedankte sich der Ministerpräsident für die Beiträge und verabschiedete sich von Holzminden, nachdem er einen Geschenkekorb von den Moderatorinnen herzlich entgegennahm. Der Abend wurde insgesamt von sehr lebhaften Diskussionen geprägt.



Fotos: sst