Hildesheim (red). Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat Anfang Juli 2019 Anklage gegen einen 96-jährigen Mann aus Nordstemmen wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Volksverhetzung erhoben. Gegen den Angeschuldigten war in der Vergangenheit wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord ermittelt worden. In jenem, von der Generalstaatsanwaltschaft Celle geführten Verfahren, war dem Angeschuldigten zur Last gelegt worden, als Angehöriger der 12. SSPanzerdivision „Hitlerjugend“ in der Nacht zum 2. April 1944 in Ascq (Nordfrankreich) die willkürliche Tötung von 86 Zivilpersonen als Racheakt für einen vorangegangenen Sprengstoffanschlag auf einen Transportzug unterstützt zu haben. Jenes Verfahren war im März 2018 aufgrund eines Verfahrenshindernisses eingestellt worden, weil der Angeschuldigte wegen dieses Vorwurfs bereits 1949 von einem Militärgericht in Abwesenheit verurteilt worden war.
Die Tatvorwürfe des jetzt von der Staatsanwaltschaft Hildesheim geführten Verfahrens haben Äußerungen des Angeschuldigten zum Gegenstand, die dieser im November 2018 gegenüber drei Journalisten des NDR im Rahmen eines Interviews vor laufender Kamera getätigt haben soll. Teile dieses Interviews wurden am 29.11.2018 in der ARD-Sendung „Panorama“ ausgestrahlt, wozu der Angeschuldigte ausdrücklich seine Zustimmung erteilt haben soll.
In dem aufgezeichneten Gespräch äußerte der Angeschuldigte zu dem Massaker von Ascq, dass die später getöteten Personen selbst schuld an ihrem Tod gewesen seien, da sie trotz Arrestierung geflüchtet seien. Sie hätten halt „Pech“ gehabt. Außerdem äußerte er sinngemäß, dass die Anzahl von 6 Millionen getöteten Juden während des Dritten Reichs falsch angegeben worden sei, dies wären nicht so viele gewesen.
Der Angeschuldigte hat nicht bestritten, die gesendeten Angaben gegenüber den Journalisten geäußert zu haben, er will jedoch nicht bemerkt und gewusst haben, dass das Gespräch mit Bild und Ton aufgezeichnet wurde und später veröffentlicht werden sollte. Außerdem wird von ihm die Auffassung vertreten, dass seine Aussagen nicht als volksverhetzend zu bewerten und somit auch nicht strafbar seien.
Für die angeklagten Taten sieht das Strafgesetzbuch folgende Strafrahmen vor:
- Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe
- Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gemäß § 189 StGB: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.