Celle (red). Nach nur vier von ursprünglich sieben geplanten Verhandlungstagen hat der 1. Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts einen 23-jährigen Angeklagten wegen Werbung um Mitglieder für den sog. „Islamischen Staat" (IS) als einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig gesprochen.

Das Verfahren konnte vorzeitig abgeschlossen werden, weil der Angeklagte die Tatvorwürfe vor Gericht gestanden hat. Er hatte eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Allahu Akbar" (Anm: „Gott ist groß") eingerichtet und unterhalten, zu deren ca. 50 Teilnehmern auch aktuelle und ehemalige Kämpfer des sog. IS gehörten. Zwischen März und Juli 2015 fügte der damals noch 20jährige Angeklagte zwei weitere Teilnehmer zu dieser Gruppe hinzu, schickte ihnen Nachrichten, in denen er sie aufforderte, sich dem sog. IS in Syrien als Mitglied anzuschließen, und bot ihnen Hilfe und Unterstützung bei ihrer Ausreise durch andere Chatmitglieder sowie finanzielle Unterstützung an. 

Da der Angeklagte zum Zeitpunkt der Taten zwar 18, aber noch keine 21 Jahre alt war, galt er nach dem Gesetz als Heranwachsender, auf den unter bestimmten gesetzlich Voraussetzungen die Vorschriften des Jugendstrafrechts anzuwenden sind. Diese Voraussetzungen hat der Senat den Empfehlungen der Jugendgerichtshilfe folgend bejaht, weil der Angeklagte nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung zum Tatzeitpunkt noch einem Jugendlichen gleichgestanden habe, denn er wohnte zur Tatzeit ebenso wie auch aktuell noch bei seinen Eltern, hatte weder einen Beruf erlernt noch einen Ausbildungsplatz in Aussicht und verbrachte seine Freizeit fast ausschließlich mit Computerspielen und sozialen Netzwerken ohne relevante Beziehungen zu seiner Außenwelt.

Welche Sanktionen zu verhängen sind, ist im Jugendstrafrecht vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten. Als Sanktionsmittel sieht das Gesetz Erziehungsmaßregeln (wie z. B. die Erbringung von Arbeitsstunden), Zuchtmittel (z. B. Arrest) und Jugendstrafe vor. Jugendstrafe kann nach § 17 Abs. 2 JGG nur verhängt werden, wenn wegen schädlicher Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervor-getreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn eine Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld erforderlich ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte beantragt, den Angeklagten zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten zu verurteilen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Außerdem sei ein sog. „Warnschuss-Arrests" von drei Wochen zu verhängen, um dem Angeklagten die Verantwortung für seine Taten zu verdeutlichen. Der Verteidiger hatte beantragt, den Angeklagten zu einer Jugendstrafe von einem Jahr zu verurteilen, deren Vollstreckung zu Bewährung auszusetzen sei. 

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe demgegenüber - jedenfalls gegenwärtig - verneint. Der Angeklagte habe zwar zur Tatzeit schädliche Neigungen aufgewiesen, die auch gegenwärtig noch fortbestünden. Es könne aber auch nach Beteiligung der Jugendgerichtshilfe sowie der Anhörung eines Sachverständigen und der Mutter des Angeklagten als Zeugin nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden, ob die schädlichen Neigungen bei dem Angeklagten gegenwärtig in einem solchen Umfang vorhanden sind, der die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich macht. Der Senat hat die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe deshalb nach § 27 JGG für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt und ihm verschiedene Weisungen erteilt.

Sollte sich während Bewährungszeit - insbesondere durch schlechte Führung des Angeklagten - herausstellen, dass die Taten deren er schuldig gesprochen wurde, in einem solchen Umfang auf schädliche Neigungen zurückzuführen sind, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, wird eine Jugendstrafe gegen den Angeklagten verhängt werden.

Ob die Entscheidung mit der Revision angegriffen oder rechtskräftig werden wird, bleibt abzuwarten.